Erst in jüngster Zeit hat man begonnen, die Aufgabe des Mikrobioms, d.h. der Gesamtheit der Bakterien, Viren, Bakteriophagen und Pilze, die in und auf uns Menschen leben, zu verstehen. Nun stellt sich die Frage, wie unser Verhalten von ihnen beeinflusst werden kann und ob es möglich ist, die Zusammensetzung unseres Keim-Pools selbst zu steuern, sodass man beispielsweise Süchte durch spezielle Keime in den Griff bekommen könnte.
Allgemein gesehen weiß man bereits seit einiger Zeit, dass die Keime, die für unsere Zellgesundheit verantwortlich sind, beispielsweise durch den Konsum von Gemüse positiv beeinflusst werden können, weil sie als Stoffwechselprodukte kurzkettige Fettsäuren abgeben, die von den Zellen benötigt werden.

Beeinflussung unseres Belohnungssystems durch Mikroben
Nun hat sich bei Alkoholikern gezeigt, dass sich die Zusammensetzung ihres Darm-Mikrobioms ändert, wenn dieser auf Alkohol verzichtet (Emeran Meyer, Universität Kalifornien, Los Angeles). Kirsten Tillisch der gleichen Universität hat herausgefunden, dass manche Bakterien bei Frauen zu mehr Gelassenheit bei Stress führen. Zudem wurden Zusammenhänge mit der Ess-Sucht (Joe Alkock, Universität New Mexiko) postuliert.
Beide Forschungsgruppen gehen davon aus, dass das Mikrobiom das Konsumverhalten des Individuums dahingehend beeinflussen kann, dass seine eigenen Lebensbedingungen verbessert werden. Dies geschehe anhand eines Belohnungssystems. So konsumiere der Mensch die Lebensmittel, die der entsprechende Keim benötigt, oder den konkurrierenden Keimen schadet, denn manche Keime gedeihen bei fettreicher Ernährung, andere bei zuckerreicher, es gibt aber auch solche, die Ballaststoffe bevorzugen.
Beeinflussung von Stimmung (Depressionen)
Indem beispielsweise Darmbakterien die Stimmung von Mäusen beeinflussen können, kann man ihr Verhalten durch entsprechende Keime mutiger oder ängstlicher werden lassen. Auch in Finnland wird intensiv an dem Thema geforscht. So konnten ,,gesunde“ Bakterien die Gesundheit von Kindern fördern.

Beim Menschen wurde außerdem ein Zusammenhang zwischen Depressionen und Darmkeim-Zusammensetzung bei zwei Studien mit je etwa 1000 Probanden gefunden (Jeroen Raes, Universität Leuven, Belgien). Zudem konnten bereits einige Bakterienstämme bereits in ihrer Wirkung auf das Gehirn katalogisiert werden. Lukas van Oudenhove der gleichen Uni ließ seine Versuchspersonen 30 Minuten traurige Musik hören, und dazu traurige Gesichter anschauen, worauf sie sich traurig fühlten. Einen Teil der Probanden wurde nun durch eine Sonde in den Magen Fett gegeben, wodurch sich das Gefühl verringerte. Man postulierte, dass das Fett im Darm Signalmoleküle freigesetzt hätte, die über das Blut und das Nervensystem ins Gehirn gelangt wären und dort im Hirnstamm ein Belohnungssystem durch Ausschüttung von Dopamin in Gang gesetzt hätte. Wasser hatte diese Wirkung übrigens nicht.
Veränderungen im Gehirn durch Ernährung
Das Problem ist aber auch dass eine dauernde fett- und zuckersreiche Ernährung im Gehirn Veränderungen auftreten (Nora Volkow, Nationale Institut für Drogenmißbrauch, USA). Diese betreffen das oben genannte Belohnungssystem und den Hypothalamus (Steuerung Hunger/Sättigungsgefühl). Auch bei übergewichtigen Patienten wurden Veränderungen der Struktur des Belohungszentrums gefunden, welches ungehemmt aktiv bleibt und ständig Nachschub fordert (Forscherteam Kalifornien).
Allerdings gibt es aber auch ein Steuerungssystem im präfrontalem Cortex, dass wir durch unser Bewußtsein selbst steuern können und uns so über die beiden Regulationsysteme hinweg setzen können. Wenn dies nicht mehr gelingt, ist der Mensch süchtig geworden.
Entzündungen durch Mikroben
Es gibt aber noch ein weiteres Problem. Die Ausscheidung der Fett- und Zucker liebenden Bakterien verursachen Entzündungen im menschlichen Organismus, wie Forscher der Uni in Schleswig-Holstein herausfanden.

Durch fettreiches Essen zu Veränderungen werden im Darm Bakterien unterstützt, die Lipopolysaccaride ausscheiden. Diese zerstören die schleimige Schutzschicht des Darmes, wodurch entzündungs-auslösende Schadstoffe in den Körper gelangen und Entzündungen auslösen können. So kann es zu einer Entzündung des Hypothalamus kommen, wodurch seine Steuerungsfunktion gestört werden kann. Auch eine Münchener Forschungsgruppe (Institut für Diabetes und Adipositas, Helmholtz-Zentrum) haben diese ernährungsabhängigen Veränderungen am Hypothalamus gefunden.
FAZIT
Diese Erkenntnisse geben Hoffnung zu ganz neuen Ansätzen sowohl in der Sucht- als auch bei der Behandlung verschiedener anderer Erkrankungen, sowohl des psychiatrischen, als auch des inflammatorischen Formenkreises durch Beeinflussung der Zusammensetzung des Mikrobioms, wobei die Zusammenhänge aktuell noch nicht vollständig erforscht sind. Hier gilt es, diese weiter aufzudecken und Wege zur Beeinflussung des Mikrobioms in suffizienter Weise zu finden.
Ich schätze solche Artikel sehr, liebe Dr. Nessy!
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Das freut mich sehr …
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Sehr interessanter Artikel, Dr. Nessy. Auf die nächste Folge der Ausführungen bin ich schon gespannt (etwa : „Diese Ernährung hilft Alkoholismus unter Kontrolle zu bekommen“ oder „ Diese Ernährung hilft, die Konzentration zu verbessern“ oder „ konkrete Zusammenhänge von Nahrung- Darmbakterien – und Lebensqualität“)…
Herzliche Grüße gerlind bernstein
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