Ja, es ist wahr! Die jüngst veröffentlichte EPIC-Oxford-Studie bot ein überraschendes Ergebnis: Vegetarier erlitten laut der Auswertung der Studie häufiger Schlaganfälle als die Patienten mit einer ganz normalen Ernährung! Lest hier, was dahinter steckt und was es für die Ernährungsempfehlungen bedeutet
Dieser Artikel wurde sorgfältig recherchiert und erstellt. Dennoch ist er kein Ersatz für eine medizinische Konsultation und für die Inhalte und Empfehlungen wird keine Haftungen übernommen.
Aber beginnen wir von vorne und wenden wir uns zuerst jener prospektiven englischen Kohortenstudie zu, die zwischen 1993 und 2001 durchgeführt wurde und deren Ergebnis doch bei manchen Fragezeichen aufgeworfen hat … Untersucht wurden die
Zusammenhänge des Vegetarismus mit den Risiken einer ischämischen (durch Mangeldurchblutung bedingten) Herzkrankheit und eines Schlaganfalls
Rekrutiert wurden
48.188 Teilnehmer ohne ischämische Herzkrankheiten, ohne Schlaganfällen, ohne Angina pectoris oder sonstigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Tammy Tong vom Nuffield Department of Population Health an der Universität Oxford, der Leiter der Studie, konnte den Einfluss eines langfristigen Fleischverzichts auf die Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen( Schlaganfälle) untersuchen, da er die Probanden 2010 erneut befragen ließ.
Diese wurden zu Beginn der Studie in
Drei unterschiedliche Ernährungsgruppen
eingeteilt:
- Fleischesser (Teilnehmer, die Fleisch konsumierten, unabhängig davon, ob sie Fisch, Milchprodukte oder Eier konsumierten; n = 24 428),
- Fischesser (Pescetarier – verzehren Fisch, aber kein Fleisch; n = 7506)
und
- Vegetarier, einschließlich Veganer (n = 16 254),
Die Daten basieren auf den zu Studienbeginn gesammelten Ernährungsinformationen und anschließend bei der Befragung um 2010 (n = 28 364) gewonnenen Informationen.
Gefahndet wurde nach bis 2016 neuaufgetretenen Fällen mit ischämischer Herzkrankheit und Schlaganfällen, einschließlich ischämischer und hämorrhagischer Typen.
Ergebnisse
In über 18,1 Jahren Follow-up wurden
- 2820 Fälle von ischämischer Herzkrankheit und
- 1072 Fälle von Schlaganfall (519 ischämische Schlaganfälle und 300 hämorrhagische Schlaganfälle) aufgezeichnet.
In der Gruppe der Fischesser und Vegetarier
traten
– weniger durch Mangeldurchblutung bedingte (ischämische) Herzerkrankungen auf,
nämlich 10 Fälle pro 1000 Einwohner über 10 Jahre weniger (36,2 versus 46,2) als bei den Fleischessern. das entspricht
für die Vegetarier ein um 22 % vermindertes Risiko an eine ischämische Herzerkrankung zu erkranken (Hazard Ratio 0,78; 95-%-Konfidenzintervall 0,70 bis 0,87)
13 % seltener (Hazard Ratio 0,87; 0,77 bis 0,99), bei Pescetarier (Fisch-Esser). Hier traten 40,4 ischämischen Herzerkrankungen auf 1.000 Personen über 10 Jahre auf, ihr Risiko lag somit zwischen beiden Gruppen.
Die Assoziationen für ischämische Herzkrankheiten wurden nach Anpassung an selbst berichteten Blutcholesterin-, Bluthochdruck-, Diabetes- und Body-Mass-Index (teilweise abgeschwächt.
– Mehr Schlaganfälle (vorwiegend durch Einblutungen bedingt)
Im Gegensatz dazu hatten Vegetarier 20% höhere Raten an Schlaganfällen als Fleischesser (18,3 versus 15,4 auf 1.000 Personen über zehn Jahre) was drei weiteren Fällen an Schlaganfällen entspricht, hauptsächlich aufgrund einer höheren Rate an hämorrhagischen (durch Einblutung bedingten) Schlaganfällen.
Pescetarier erkrankten mit einer Rate von 17,5 Schlaganfällen auf 1.000 Personen über 10 Jahre.
Die Assoziationen für Schlaganfall schwächten sich nach weiterer Anpassung der Krankheitsrisikofaktoren nicht ab.
Cofaktoren, die evtl. diese Ergebnisse mit beeinflussten:
Die Vegetarier waren 10 Jahre jünger als die Fleischesser. Sie litten seltener unter einem erhöhten Blutdruck oder Diabetes, sie hatten niedrigere Cholesterinwerte und waren seltener wegen chronischer Erkrankungen in Behandlung. Sie trieben mehr Sport, rauchten seltener, und die Frauen nahmen nach den Wechseljahren seltener Hormonpräparate ein.
Fazit
In der Vergangenheit hat sich der Mensch in den meisten Perioden seines Daseins überwiegend von Fleisch und pflanzlichen Produkten ernährt. Zwar sind nun vegetarische und vegane Diäten in den letzten Jahren immer beliebter geworden, allerdings sind die potenziellen Vorteile und Gefahren dieser Diäten bisher noch nicht vollständig und eindeutig verstanden worden.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Vegetarier ein geringeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen haben als Nichtvegetarier, allerdings wurden keine Hinweise auf einen Unterschied im Mortalitätsrisiko durch Schlaganfall gemeldet, möglicherweise aufgrund der begrenzten verfügbaren Daten und des Mangels an verfügbaren Hinweisen zu Schlaganfallsubtypen.
Diese Studie zeigte, dass Fischesser und Vegetarier (einschließlich Veganer) ein geringeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen hatten als Fleischesser. Dieser Vorteil wird in dieser Untersuchung jedoch bei den Vegetariern durch ein erhöhtes Risiko auf einen (hämorrhagischen) Schlaganfall teilweise wieder aufgehoben. Die Prescetarier lagen mit ihren Werten jeweils zwischen Fleischesser und Vegetarier.
Erklärungsversuche
1. Warum haben Vegatarier und Prescetarier ein geringeres Risiko für ischämische Herz-Kreislauferkrankungen?
Durch die meist bewußtere pflanzliche Ernährungsform wird der Körper zusätzlich mit vielen wertvollen pflanzlichen Nährstoffen und Ballaststoffen bei einer Verminderung des Fett- und häufig auch des Zuckerkonsums versorgt und die Risikofaktoren wie Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin gesenkt.
Vegetarier praktizieren meist auch einen generell gesünderen Lebensstil, nicht nur die Ernährung betreffend (z-B. Sport, Nichtraucher,…) der in der Studie nicht untersucht wurde und sich zusätzlich positiv auswirkt.
Salz, das in Würsten enthalten ist und häufig mit dem Fleischkonsum einhergeht, kann den Blutdruck erhöhen, was wiederum ischämische Ereignisse triggert.
Die Wurstwaren enthalten Nitrite und Nitrate, damit sie länger halten und eine ansprechende Farbe beibehalten. Diese sollen aber auch den Insulin-Haushalt des Körpers stören zu Diabetes führen.
Mittlerweile weiß man auch um der Entzündungsvorgänge der Gefäße, die durch eine Störungen des Insulinhaushaltes ausgelöst werden können und wiederum Gefäßverengungen begünstigen und letztendlich ischämische Ereignisse hervorrufen können.

2. Warum erhöht eine vegetarische Kost das hämorrhagische Schlaganfallrisiko?

Da es vor allem zu einer Erhöhung der hämorrhagischen, weniger der ischämischen Schlaganfallrate kommt, sind die Mechnismen verschiedene.
Ein hämorrhagischer Schlaganfall ist de facto eine blutungsbedingte Minderversorgung des Gehirnes. Man könnte also postulieren , dass durch die vegetarische Ernährung es eher zu einer Blutung kommt.
Vitamin- und Eisenmangel bzw. erhöhte Blutverdünnung durch alleinige Pflanzenkost
Im Fleisch enthalten sind Eisen und Vitamie der B-Gruppe. insbesondere Vit.B12 sowie die essentiellen und nicht essentiellen Aminosäuren, die den Vegetariern evtl. teilweise fehlen könnten, was eine erhöhte Blutungsbereitschaft nach sich ziehen könnte.
Auf der anderen Seite wirken die meist besseren Cholesterinwerte und die Tatsache, dass manche pflanzlichen Substanzen (Knoblauch, Petersilie,… leicht blutverdünnend wirken und wenn man eine erhöhte Dispostion dazu bei den Vegetariern postuliert, kann auch dies die erhöhte Blutungsbereitschaft mitbedingen, weil das Blut ,,dünner“ ist, wodurch Gefäße zwar weniger oft ,,verstopfen“ bzw. sich durch Ablagerungen verengen, dadurch aber auch etwas häufiger eine Blutung auftritt bzw. diese weniger schnell durch Autoregulationsmechanismen zum Sistieren kommt.
Auf der anderen Seite benötigt die Gerinnung/Wundheilungsprozesse auch bestimmte Vitamine, die vorzugsweise in Fleisch vorhanden sind. Eventuell kann die schlechtere Versorgung mit Vitamin B12, Vitamin D oder essentiellen Aminosäuren tatsächlich für die höhere Schlaganfallrate der Vegetarier mitverantwortlich sein.
Statistisch bedingter Unterschied der erhöhten Schlaganfall-Rate bei Vegetarier
Zwar zählte zu den Stärken dieser Studie die große Stichprobengröße und die lange Follow-up-Zeit. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Fehlklassifizierung war bei der klaren Zuordnung zu den Essensgruppen relativ gering. Auch wurde versucht, die Exposition und wichtige Störfaktoren nach 14 Jahren, um etwaige Änderungen zu berücksichtigen.
Aber hier sehe ich, besonders nach Sichtung der Zahlen (siehe Links zur Studienübersicht, Tabellen unten) , auch die Problematik, die immer dann auftritt, wenn Zahlen neu aufgestellt werden müssen. So mussten von vorne herein relativ viele Patienten, deren Parameter zu sehr abwichen (Alter, Gewicht,..) ausgeschlossen werden. Zwar wechselten nur relativ wenige Personen die Gruppen während der Studie, dennoch ist auch die Verlässlichkeit der daraus resultierenden Daten ungenau.
Zudem ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Änderungen in der Ernährungsgruppe oder Änderung der Verhaltensweisen durch die Nachuntersuchung erfasst wurden.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich die Zusammensetzung der vegetarischen Ernährung sich während der Nachuntersuchung aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit vegetarischer Lebensmittel wahrscheinlich geändert hat, allerdings waren die Unterschiede in der Nährstoffaufnahme zwischen den Ernährungsgruppen zu Studienbeginn und bei der Nachsorge ähnlich.
Man weiß auch nicht, wie die Generalisierbarkeit der vorliegende Studie dadurch begrenzt wird, dass sie überwiegend auf weißen europäischen Individuen beruht.
Diskussion/ Ausblick
Dass Vegetarier (und auch die Pescetarier) geringere Risiken für Herz-kreislauferkrankungen hatten, ist mittlerweile statistisch belegt. Übrigens erkranken Menschen, die regelmäßig Fleisch essen, auch häufiger an Diabetes und Darmkrebs, wie Forscher von der Harvard School of Public Health in Boston aufgrund Daten aus zwei Studien, an denen insgesamt 121.000 Menschen (1980-2008) teilgenommen haben, herausfanden.
Ist die vegetarische Ernährung trotzdem die die beste?
Die Ergebnissen der bisherigen und dieser Studie zusammengenommen, könnte man postulieren, dass eine vegetarische Ernährung trotz des ,,Ausrutschers“ in Bezug auf das gehäufte Auftreten eines hämorrhagischen Schlaganfalles die gesündeste Ernährungsform sei. Allerdings halte ich sie allenfalls für Erwachsene ideal, da in der Kindheit, in einer Zeit, in dem es unglaublich wichtig ist, dass der Körper das bestmögliche Nahrungsangebot erhält, weil der Körper sich aufbaut, sowie bei bestimmten Erkrankungen, eine Ernährung, die zusätzlich Fleisch erhält, durchaus sinnvoll sein kann. Da Fleisch und Wurstwaren auch wichtige Vitamine und Mineralstoffe enthalten, empfiehlt die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen. Bezüglich des Fischkonsums empfiehlt sie diesen etwa einmal wöchentlich, da die pflanzlichen Fettsäuren z.T. nicht so gut aufgenommen werden könne, diese aber lebensnotwendig sind und es zudem ohne Fisch leicht zu Jodmangelerscheinungen und Schilddrüsenerkrankungen kommen kann!
Was muß man bei einer reinen vegetarischen Ernährung beachten?
Diesen Abschnitt habe ich in der Ich-Form geschrieben, weil er meine persönliche Einstellung/Erfahrungen wiedergibt, die nicht unbedingt mit den offiziellen Empfehlungen konform geht. So ist die DGE der Auffassung, dass man nur in Ausnahmefällen Nahrungsergänzungsmittel brauchen würde, da man sich durch eine ideale Zusammensetzung auch so gut ernähren könne ….
Auch ich bin weitgehend Vegetarierin, d.h. ich esse nie Fleisch, nehme aber, wenn ich es für richtig halte, auch tierische Medikamente und esse gelegentlich Gelantine.
Warum? Weil mir Fleisch nicht schmeckt und ich so wenig Tiere wie möglich wegen mir getötet haben möchte. Allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen. Denn eigentlich ist es schwerer, sich mit allem zu ernähren, was der Körper braucht, wenn man sich vegetarisch ernährt. So habe ich mir einmal die Mühe gemacht, meine Nahrung /Blutwerte zu analysieren. Uns siehe, man braucht sehr viel Essen, um wirklich alle Stoffe zu erhalten, die der Körper laut den offiziellen Empfehlungen benötigt. Ansonsten habe ich Mangelerscheinungen, die sich auch im Blut zeigen.
Allein die 50-60 g Eiweiß am Tag sind für mich kaum zu schaffen, nicht zu reden von Jod oder Eisen und die (essentiellen) Aminosäuren … Deshalb greife ich auf Nahrungsergänzungsmittel zurück. Dabei achte ich darauf, die Vitamine, Spurenelemente und Fette möglichst in ihrer natürlichen Form, sprich, möglichst ,,organisch“ zu mir zu nehmen, da diese oft einen optimale Zusammensetzung erhalten, bei der sich die Aufnahme der einzelnen Stoffe optimal ergänzt und nicht behindert, wie das z.B. oft bei billigen Vitaminprodukten der Fall ist. Bis auf wenige Ausnahmen nehme ich auch keine einzelnen Stoffe zu mir, da in der Natur nie ein Vitamin alleine vorkommt. Ich achte auf gute Kombiprodukte. Meist sind diese Produkte vegetarisch, allerdings nicht alle. Denn wenn es um Medikamente geht, gilt bei mir, wie schon gesagt, der Veggie-Kodex nicht. Eine gute medizinische Versorgung ist für mich der Kompromiß, der nötig und vertretbar erscheint.
Ausblick

Zukünftige Arbeiten sollten weitere Messungen des zirkulierenden Spiegels von Vitamin B12, Aminosäuren und Fettsäuren in der Kohorte umfassen, um zu identifizieren, welche Faktoren die beobachteten Assoziationen vermitteln könnten. Zusätzliche Studien in anderen großen Kohorten mit einem hohen Anteil an Nichtfleischessern sind erforderlich, um die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse zu bestätigen und ihre Relevanz für die klinische Praxis und die öffentliche Gesundheit zu bewerten
Zudem sind weitere Forschungen erforderlich, um diese Ergebnisse auf andere Länder zu übertragen. Zudem müssen die Cofaktoren noch besser identifiziert werden, die für die beobachteten Assoziationen mit verantwortlich sein könnten.
Puh, diesmal musste ich meinen Grips echt zusammenhalten, um alle Zahlenspiele im Kopf zu halten. Du hast es wunderbar erklärt, und über das Ergebnis bin ich ebenfalls etwas überrascht, aber es stimmt mit meinen Essgewohnheiten der letzten 6 Jahre überein, wo ich mehr Wert auf Qualität lege, Fleisch somit reduziert habe und einen wöchentlichen Ernährungsplan im Kopf führe, der die Nahrungsmittel (saisonal bestimmt) abstimmt, damit nichts zu kurz kommt. Da ich selber seit 3 Jahren an einer Hirnstudie teilnehme, weiß ich, dass die Faktoren eines Schlaganfalles auch genetisch bedingt sind und etwa 70 Prozent der Menschen ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle aufweist. Diese Faktoren fehlen zum Glück bei mir, weswegen ein Schlaganfall eher nicht auftreten dürfte. Hoffen wir mal das Beste! Es war wieder eine Freude Deinen Artikel zu lesen liebe Dr. Nessy!
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Lieber Arno!
danke Dir für den Super Kommentar! : D !
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