1. Zusammenfassung:
So wichtig wie ein zusätzliches Organ ist das Mikrobiom, welches aus unvorstellbaren 100 Billionen Mikroorganismen besteht.
Zum Mikrobiom gehören Bakterienstämme (v.a Firmicutes und Bacterioides), das Virom (überwiegend Prokaryonten) und das Mykom (überwiegend Sprosspilze), die nicht nur auf der Haut, in den Ohren, im Nasen-Rachenraum und im Mund, sondern auch im Gastrointestinal- und Urogenital-Trakt vorkommen (Authenrieth I., 2000).
Heute weiß man, dass Mikroben mit den körpereigenen Zellen auf der direkten, neurogenen und genetischen Ebene kommunizieren, in Signal- und Stoffwechselwege eingreifen und Informationen übertragen können und zwar nicht nur vom Nervensystem des Intestinaltrakts zum ZNS, sondern auch zur Lunge, zur Leber, den Knochen und zum kardiovaskulären System (Lomolt H.B. 2010).
Durch diese neuen Erkenntnisse hat man zusätzlicher Optionen bei vielen Erkrankungen erhalten. So verfügt man nun über neue Diagnosemöglichkeiten, aber auch über zusätzliche Behandlungsoptionen durch Stabilisierung des Mikrobioms.
Man empfiehlt hierzu eine ballaststoffreiche Ernährung mit wenig Fett, nicht zu viel Eiweiß, wenig einfachen Kohlenhydraten und natürlich fermentierter Käse (Waldes AM., Spector T., 2018). Sinnvoll kann auch das Zuführen von Präbiotika wie Inulin sein und in manchen Fällen, z.B. nach einer Antibiotikatherapie, auch Probiotika.
Aber auch die Eliminierung von Faktoren, die eine Destabilisierung des Mikrobioms zur Folge haben, wie zum Beispiel Stress, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus und eine industriell erzeugte Lebensmitte (Hahne D., 2013), sollten eliminiert werden. Dabei ist zu beachten, dass der Enterotyp des Mikrobioms (Überwiegen von Bacteriodes, Prevotella oder Ruminococcus) relativ stabil ist und nicht mit dem BMI oder Alter korreliert (Manimozhiyan A., 2011).
Dennoch gibt es Hinweise, einige Dysbiosen durch Ernährung beeinflussen zu können und auch bei der Prävention von Darmtumoren ist ein Zusammenhang mit der Ernährung anzunehmen.
Auch die autologe Stuhltransplantation hat bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Reizdarm und schweren Infektionen erste Erfolge gezeigt (Gough E. 2011 ).
Ein Subtyp von Escherischia Coli kann NAPE (N-acyl-phosphatidyl-ethanol-amin) produzieren, dessen Metabolite appetitzügelndwirken (19), woraus sich eventuell Therapien bei Adipositas ableiten lassen könnten.
Die Erkenntnisse über die multiplen Zusammenhänge dieses wichtigen ,,Organs“ Mikrobiom habe dazu geführt, den Menschen wieder ein Stück weit mehr in seiner Gesamtheit zu betrachten. Es bleibt nun abzuwarten, wie diese Fakten die Zukunft der Medizin noch verändern werden.
2. Einleitung:
Das Mikrobiom des Menschen besteht aus etwa 100 Billionen Mikroorganismen und zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt (Diversität) aus, die 500-1000 Spezies umfassen, welche größtenteils ein anaerobes Wachstum aufzeigen. Ohne sie wären die komplexen Funktionen des Organismus nicht möglich und nach neuesten Erkenntnissen sind diese Mikro-Lebewesen sogar in der Lage, mit den körpereigenen Zellen zu kommunizieren. Der enormen Bedeutung des Mikrobioms angemessen, die der eines wichtigen Organes gleichkommt, macht es circa zwei Kilogramm des menschlichen Gewichtes und etwa ein Drittel der Stuhlmasse aus.
Das Mikrobiom kann zum einen den Menschen vor Eindringlingen von außen schützen, bei einer Dysbalance kann es sich aber auch selbst negativ auf den Organismus auswirken und bei einer Überwucherung, zum Beispiel mit Clostridien schwere Durchfälle auslösen oder auf genetischer Ebene sogar Tumoren begünstigen. Über die Immunmodulation hat es außerdem Einfluß auf das metabolische Syndrom, auf die Entwicklung einer Insulinresistenz, auf den Typ 2 Diabetes, der Entwicklung eines Bluthochdrucks, auf erhöhte Cholesterin- und Triglyceridwerte und auf ein damit erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen.
3. Entwicklung des Mikrobioms
3.1. Wie alles begann: Zwei Arten von erstem Leben
Die ersten Lebewesen, die vor etwa 3,5 Milliarden Jahren aus Stickstoff Energie erzeugen konnten, hießen Prokaryonten. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf: Die Archaea, die keinen Sauerstoff benötigten, um aus Methanol Energie zu gewinnen und die Bacteria, die die Fähigkeit zur Photosynthese sowie aerober und aerober Atmung entwickelten. Während sich die Archae im Laufe der Evolution durch Einbau von einzelnen Bacteria Zellkerne mit Zellorganellen wie Mitochondrien zu höherstehenden, komplexen Organismen entwickelten, kam der Entwicklungserfolg der Bacteria durch eine große Artenvielfalt und einer Symbiosebildung mit den verschiedenen hochentwickelten Lebewesen zustande.
3.2. Reduktion der Diversität durch das moderne Leben
Erstaunlicherweise wies der erst vor kurzem in Südamerika im Urwald entdeckte Stamm der Yanomami-Indianer die höchste Diversität des Mikrobioms auf , die man je bei einem Menschen gemessen hatte. Zudem hatte man keine Mikrobiome der einzelnen Stammesmitglieder gefunden, die identisch zusammengesetzt waren!
Dies legt nahe, dass Diäten, Behandlung mit Antibiotika und Fehlernährungen in der ,,modernen Welt“ frappierende Folgen gehabt haben, die zu einer deutlichen Einschränkung der Keimvielfalt führten. So hat ein US-Amerikaner eine nur noch halb so große Diversität wie die amerikanischen Ureinwohner.
Aber erst im Rahmen des Human Microgenom Project hat die Wissenschaft eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wie wichtig, ja lebensnotwendig die vielfältigen Wechselwirkungen der Mikroben mit dem menschlichen Organismus tatsächlich sind .
4. Arten des Mikrobioms
Schon bei der Geburt erhält das Neugeborene Kontakt zu den ersten Keimen beim Durchtritt durch die Vagina. Multiple Hautkeime kommen hinzu. Die ersten Keime, die ein Mensch im Darm erhält, sind vor allem Bifidobakterien und Lactobakterien von der Muttermilch (Authenrieth I., 2000). Erst seit jüngster Zeit weiß man, wie wichtig eine damit verbundene geregelte Verdauung und Schutzfunktion des Neugeborenen für seine weitere Entwicklung ist.
4.1. Drei Haupt-Arten des Kern-Mikrobioms
Der Hauptteil der bakteriellen Gene kommt im menschlichen Darm vor und bildet das Kernmitkrobiom, das langfristig stabil ist und auch nicht mit dem BMI oder dem Alter korreliert. Je nach dominierender Gattung können drei Arten unterschieden werden:
- Hauptanteil Bacterioides: Diese sind zur Herstellung von Buttersäure in enzymatischen Vorgängen fähig. Diese Gruppe findet sich bei Menschen, die bei ihrer Ernährung einen hohen Anteil an tierischen Proteinen haben, wie bei Großteilen der westlichen Bevölkerung.
- Hauptanteil Prevoltea – Diese Gruppe ist zur Degradation der Glycoproteine auf der Darmschleimhaut fähig. Sie findet sich bei Menschen, bei denen Kohlenhydrate und Zucker einen Großteil der Ernährung ausmachen.
- Hauptanteil Ruminococcus: Diese Mikroben können Mucine bilden und Zuckerreste spalten. Anteilig sind viele methanproduzierende Bakterien enthalten.
Durch Zugliederung zu einem Typ erhofft man sich in der Zukunft prognostische Bedeutung hinsichtlich Erkrankungen wie dem kolorektalen Karzinom, Diabetes oder kardiovskulären Erkrankungen (Manimozhiyan A. et al 2011)
4.2. Mykobiom umd Virom
Das Mykobiom (Anteil der Pilze, z.B. Sacromyces ssp., Candida ssp. und Genotrichum ssp.und Cryptococcus-Arten.) macht etwa zwei Prozent der Keime des Verdauungstraktes aus, allerdings ist ihre Biomasse zehn Mal größer als die von Bakterien.
Das Virom wurde erst seit kurzem näher erforscht. Aktuell sind etwa 1200 Typen, vor allem Prokaryoten, die sich in Bakterien vermehren, bekannt. Manche Viren halten sich nur an bestimmte Unterarten und nehmen Einfluss auf deren Funktion (Bakteriophagen).
5. Aufgaben des Mikrobioms
Im Wesentlichen hat das Mikrobiom drei Aufgaben:
- Immunabwehr/ Schutz vor Pathogenen
- Metabolismus (Energie- und Nährstoffgewinnung),
- Neurotransmission (Signalübertragung, Interaktion mit dem Wirt)
Es befindet sich sowohl auf der Haut, als auch im Inneren des Körpers. So enthält das Hautmikrobiom z.B. 16 Spezies wie Staphylococcus epidermidis und Propionibakterien. Die Hauptaufgabe ist hier der Schutz vor Eindringlingen über die Haut und die Unterstützung einer schnellen Regeneration (Lomolt H.B., Kilian M 2010).
Mikrobiom des Gastrointestinaltraktes
Die Darmschleimhaut ist durch die Nahrung ständig negativen Einflüssen wie pathogenen Keimen und Nahrungsmittelallergenen ausgesetzt, wobei die kommensalen Bakterien* ihren Wirt in vielerlei Hinsicht bei der Abwehr unterstützen.
*Ein ,,Kommensale ist in diesem Zusammenhang ein ,,Mitesser, der dem Wirt meist nicht schadet“. In der Literatur wird der Ausdruck ,,kommensale Bakterien“ synonym zu ,,Mikrobiom“ verwendet.
Die Diversität und auch die absoluten Keimzahlen nehmen aboral (zum Darmausgang hin) zu, es gibt aber auch Unterschiede in der Zusammensetzung der Keime zwischen Lumen und Darmwand.
5.1. Immunabwehr
Das Mikrobiom hat eine Vielzahl von Schutzfunktionen für den Organismus. Dabei macht es sich die direkte, die neurogene und die genetische Ebene zu Nutze.Die ersten Keime, die ein Mensch erhält, sind Bifidobakterien und Lactobakterien von der Muttermilch (Authenrieth I., 2000)
5.1.1. Mukosaprotektives Mikrobiom im Gastrointestinaltrakt
Diese Bakterienstämme besiedeln die Mucusschicht der Darmwand. Sie produzieren Mucin-bindende extrazelluläre Proteine und Mucin-abbauende Enzyme.
Ein Beispiel ist der Stamm der Akkemansia muciniphila, der mit vielen Schutzwirkungen verbunden ist (Collade M.c. et.al. 2007) (siehe auch 5.2.).
Positive Einflüsse einer mukosaprotektiver Flora:
- Niedriger BMI
- Adipogenese reduziert
- reduzierte adipöse Gewebeinflammation
- reduzierte metabolische Endotoxinämie
- reduzierte Insulinresistenz
- Erhaltung der physiologischen Darmbarriere
5.1.2. Immunregulation
Das Mikrobiom führt außerdem zu Immunregulation des lymphatischen Gewebes, welches wiederum die regulatorischen T-Lymphocyten und die Bildung des Interleukins IL -10, welches anti-entzündlich wirkt, anregt (Maier et al. 2015).
5.1.3. Schranke für pathogene Keime
Außerdem kann das Mikrobiom durch Produktion von Toxinen eine Schranke für pathogene Keime aus der Nahrung bilden. Dabei sind diese sogenannten Bacterizine proteinogene Toxine, die von den Bakterien abgesondert werden und das Größenwachstum ähnlicher Bakteriengattungen inhibieren, wie z.B. die mit der Nahrung zugeführten Salmonellen, Shigellen und Campylobacter. .
5.2. Verdauung, dabei Energie- und Nährstoffgewinnung
Das Darm-Mikrobiom zersetzt nicht verdaute Nahrung weiter und erzeugt so energiereiche kurzkettige Fettsäuren (Milch, Essig, Propion- und Buttersäuren). Dadurch gewinnt der Organismus auch aus eigentlich unverdaulichen Nahrungsbestandteilen (Ballaststoffe) zusätzlich Energie. (siehe auch 5.2.).
In Abhängigkeit der Zusammensetzung des Mikrobioms im Verdauungstrakt (Bacteriodes, Firmicutes, siehe unten) können die Unterschiede in der Energiegewinnung mehr als 10 % betragen (Duncan S. et .al.2007).
Der Abbau in kurzkettige Fettsäuren bieten aber nicht nur Energie, sie spielen auch eine große Rolle bei der Prävention entzündlicher Darmerkrankungen und bei der Entwicklung von Karzinomen.
Ein wichtiges Beispiel ist das Bakterium Faecalibacteria prausnitzii. Diese Bakterien können Buttersäure bilden, welches als Substrat für Enterozyten im Dickdarm eine große Rolle spielt (Cao Y.et al.2014). Bei entzündlichen Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom und Zöliakie konnte man Veränderungen dieses Bakteriums nachweisen.
Butyrat ist übrigens auch deshalb wichtig, weil es als Nährstoff für die Mikrogliazellen, den Gewebsmakrophagen des zentralen Nervensystems, dient, welche Abfallprodukte und Giftstoffe durch Phago- und Pinocytose beseitigen können!
5.3. Appetitzügelnde Wirkung
Ein Subtyp von Escherischia Coli kann NAPE (N-acyl-phosphatidyl-ethanol-amin) produzieren, dessen Metabolite appetitzügelnd wirken können (Chen Z. et al.2014).
5.4. Vitaminbildung und Häm-Synthese
Auch die Vitaminbildung wird durch Mikroben beeinflusst. So unterstützt Bacterioides die Biotin-Bildung, Prevoltella die Thiamin-Bildung , und Ruminoccus trägt zur Häm-Synthese bei (Hahne D., 2014).
5.5. Blutgerinnung
Andere Mikroben unterstützen die Blutgerinnung durch Herstellung von Vitamin K (Conly J.&Stein K. 1992).
5.6. Peristalik
Methanobrevibacter smithii (methanproduzierend) verdickt den Stuhl durch Hemmung der Peristaltik, Bacterioides wirkt gegenteilig durch Stimulation der Darmtätigkeit. (Vandepute D. et.al.2016).
5.7. Neurotransmission (Informationsübertragung), häufig durch Butyrat (s.o.)
- von Nervensystem des Intestinaltrakts zum ZNS, aber auch
- zur Lunge,
- Leber,
- Knochen und
- mit dem kardiovskulären System.
5.8. Protektion vor Calcium-Oxalat-Harnsteine
Dafür sorgen in jungen Jahren Oxalobacter formeigenes (grabnegativ und anaerob), indem dieser Keim im Darm für die Degradation von Oxalaten in Formate und CO2 sorgt und so nephroprotektiv wirkt. Später wird er, wahrscheinlich durch Antibiotika, oft zum Verschwinden gebracht (Stewart C. et al 2004).
6. Folgen der Störung des Mikrobioms
(Reinecke C., 2018)
Viele Faktoren, wie Umweltfaktoren, Krankheiten, Ernährung oder Stress verändern das Mikrobiom.
Kommt es zu einer Dysbiose, also einer Störung der Mikrobiom-Zusammensetzung, oder zu einer Störung der Diversität (Artenvielfalt) kann dies eine Reihe von Störungen im Organismus zur Folge haben, wie zum Beispiel
- entzündliche Darmerkrankungen,
- metabolisches Syndrom
- Reizdarmsyndrom
- Bildung von Karzinomen,
- Zölliakie und
- Adipositas.
- Rheumatoide Arthrits
- Neuropsychatrische Erkrankungen
So kann es zur Massenausbreitung diverser Spezies wie z.B. Clostridum difficile führen, dessen Toxin zu starken Durchfällen führen kann. Ein moderner Therapieansatz bei dieser gefürchteten Infektion, vor allem in Krankenhäusern,ist die Transplantation eines gesunden Spendermikrobioms, das in einigen Ländern bereits praktiziert wird (Alang N. Kelly C. , 2015).
Das metabolische Syndrom wird durch mehreren Prozesse gefördert.
So ist ein Faktor die gesteigerte Verwertung der unverdauten Kohlenhydrate, wobei nun resorbierbare Monosaccaride und kurzzeitige Fettsäuren durch die Leber und Lipocyten ins Fettgewebe aufgenommen werden. Neben einer Reihe weiterer Vorgänge konnte auch gezeigt werden, dass Lippopolysaccharide (LPS) aus der Zellwand gramnegativer Bakterien, die als Endotoxine gelten, in Verbindung mit gesteigerter Fettaufnahme eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der chronischen Entzündung und des metabolischen Syndroms haben. Dabei kommt es insgesamt zu einer Erhöhung der grabnegativen Bakterien durch die Endotoxinämie sowie zu einer Stimulation der Produktion von pro-inflammatorischen Zytokinen über das LPS/CD 14 System. , wodurch die Insulinsensitivität und damit die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes induziert wird.
Bei der Rheumatoiden Arthrits fand man eine Abweichung von Prevoltea spp. bei 75% der Patienten. Prevoltea Capri wurde als häufigste Spezies mit erhöhten Spiegeln an proinflammatorischen Trimethylamine-N-Oxid (TMAO) im Serum identifiziert. Zusätzlich fand sich eine reduzierte Folsäure-Synthese des Mikrobioms. Bei einem Metagenom mit Prevoltea (gegenüber Bacterioides als Metagenom) war der Bedarf an Methotrext (Inhibitor der Dihydrofolatreduktase) zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis um die Hälfte reduziert (Scher J.et.al, 2013).
Auch Neuropsychatrische Erkrankungen können auch im Zusammenhang mit einer gestörten Darmflora stehen, so fand man z.B. bei autistischen Kindern eine bis zu 10-fache Erhöhung der Gattung Clostridium spp. und eine Verschiebung des Metagenoms und bei Depressionen eine überdurchschnittliche Häufung an Alistipes, und Lactobacillus pp., um nur einige zu nennen. Die Veränderungen im Mikrobiom führt zu einer veränderten Durchlässigkeit im Darm und somit zu einer Steigerung von Lippopolysaacharide (LPS) im Blut., was zu einer Steigerung entzündlicher Prozesse führt und wohl einen ursächlicher Faktor darstellt.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Interaktion des Mikrobioms mit dem Wirt bzw. dem Tumor
Durch Veränderungen der Signalwege kann eine Tumorausbreitung begünstigt werden
- der WNT/beta-Catenin- Signalweg beim Colon-Karzinom
- des microRNAs Signalweg beim hepatozellulärem Karzinom
- Umwandlung von freies zu konjugiertem Östrogen bei Brustkrebs
Cross Talk
Aber auch die komplexen Mikroben-Gemeinschaften des Darmes und der Tumor beeinflussen sich gegenseitig (Rea D., 2018) Dabei setzen gram-positive Bakterien kleine Moleküle, sogenante ,,sensing-peptides“ frei, die dann als Vermittler bei der Kommunikation eingesetzt werden.
Förderung von Tumoren durch das Mikrobiom
Es gibt aber auch Peptide, die die Gefäßbildung in den Tumor, dieTumorausbreitung und die Metastasenbildung fördern (Torsenello AL., 2018).
Bei der ursächlichen Bedeutung des dysbiotischen Mikrobioms bei der Entstehung des Kolon-Karzinoms rückt hier z.B. das Fusobakterium nucleatum bzw. dessen Virulenzfaktor FadA-Protein in den Focus (Flanagan L et al. 2014).
Auch Substanzen aus Enterococcus faecalis, und aus E.coli oder Bacillus ssp. sind bedeutsam. So fördert z.B. ein Bacillus-Peptid die TU-Progression durch Beeinflussung des EGFR-ähnlichen Wachstumsfaktors (Wynendaele E. 2015)
Mit dem sogenannten ,,Quorum sensing“ ist die chemische Kommunikation nicht nur zwischen Bakterien und Wirtszellen, sondern auch zwischen Bakterien und Tumorzellen gemeint.
Antitumor-Aktivitäten durch das Mikrobiom
z.B. durch zyklische Dipeptide aus Bakterien und Pilzen (Torsenello A.L . 2018) . Ein wichtiges bakterielles Stoffwechselprodukt ist Butyrat, welches tumorsuppressive Nuleinsäuren regulieren kann. .
Regulatoren verschiedener Erkrankungen: mikro RNAs
Diese können die Transkription einzelner Gene unterdrücken und beeinflussen die mRNA. Solche Dysregulationen wurden u.a. bei Mamma-/Gastro- /und nicht kleinzelligem Bronchial-Karzinom gefunden.
7. Prognostische Marker des Mikrobioms
Um genaue Aussagen über die Krankheitsbilder bei Adipositas und intestinalen Erkrankungen treffen zu können, hat man in modernen Labors bereits die Möglichkeit, im Stuhl wertvollen Hinweise durch spezielle Untersuchungen des Mikrobioms zu gewinnen. (Diabase, J., 2008, Mariat, D. , 2009).
7.1. Firmicutes/Bakteroides-Ratio als Hinweis auf die Nahrungsverwertung (Cani P. 2013, Million M. et al. 2012)
7.1.1. Im Darm von Adipösen finden sich mehr Mikroben, die gute Futterverwerter sind!
Studien von Cani und Million lassen annehmen, dass Bakterienstämme, die eine hohe Effizienz bei der Fermentation unverdauter Polysaccharide in gut resorbierbare Monosaccharide und kurzzeitige Fettsäuren aufweisen, zu einer höheren Energiegewinnung beitragen und so die Bildung eines metabolischen Syndroms, eine erhöhte Insulinresistenz, Diabetes Mellitus 2 und Adipositas begünstigen.
7.1.2. Mikroben aus der Firmicutes-Gruppe bilden energiereiche Fettsäuren
Zu den Mikroben, die Ballaststoffe besonders gut weiter in energiereiche Fettsäuren (Butyrat) aufspalten können, gehören verschiedene Butyratbildner der Firmicutes-Gruppe. Es konnte gezeigt werden, dass der Anteil der Mikroben bei Patienten mit Adipositas höhere Werte aufwiesen.
Andererseits erhöhte sich der Bakteriodes-Anteil mit zunehmenden Gewichtsverlust! (Ley et.al 2006).
7.1.3. Der Firmicutes/Bakteroides-Quotient gibt Hinweis auf die Nahrungsverwertung
Diese beiden Bakterienarten machen 90% der Bakterien im menschlichen Darm aus und man hat herausgefunden, dass dieser Quotient mit dem Körpergewicht gut korreliert.
Je geringer der Anteil an Firmicutes ist, also je kleiner der Quotient ist, umso geringer ist das Körpergewicht.
So fand sich bei adipösen Mäusen eine höhere Konzentration an Acetat und Butyrat. im Darm. Mittels Genomanalyse konnte auch gezeigt werden, dass adipöse Mäuse mehr bakterielle Gene aufwiesen, die die für den Abbau und Transport von langkettigen Polysaccariden zuständigen Proteinen codierten.
Durch den zusätzlichen Abbau von Ballaststoffen wird dem Organismus so mehr Energie aus der Nahrung zur Verfügung gestellt!Durch die neuen Erkenntnisse weiß man nun, dass bei Übertragung der Tierversuche auf den Menschen, dass Probanden mit einem hohen Firmicutesanteil eine zusätzliche Kalorienzufuhr von etwa 200-250 Kalorien täglich bedeuten , was einer Gesichtszunahme von bis zu 10 kg entspricht!
7.2. Akkermansia muciniphila und Faecalibacterium prausnitzii als Hinweis auf eine gesunde Darmschleimhaut
7.2.1 Messung von Akkermansia muciniphila
Akkermansia muciniphila ist ein mucinspaltendes, anaerobes Stäbchenbakterium, das durch Spaltungsprodukte zur Erhaltung einer hohen Faecalibacterium prausnitzii-Population beiträgt, wobei letztere bei entzündlichen Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom und Zöliakie verringert ist und zu den wichtigsten Buttersäurebildern gehört, welche viele positive Auswirkungen auf den Organismus haben ( siehe 3.1.1.).
Zudem zeigt sich in Studien ein positiver Einfluss dieses Keimes auf der Endocannabiniod-System mit einer Erhöhung von
- 2-Arachidonoylglycerol, welches zu einer Reduktion der metabolischen Endotoxinämie führt,
- 2-Palmitoylglycerol, welches antiinflammatorisch wirkt und
- 2-Oleolglycerol , welches die Sekretion von intestinalen Peptiden stimuliert, wie z.B. das Glucagon-like peptide, welches bei der Regulation des Glucosestoffwechsels eine Rolle Rolle Spielt und das Glucagon-like perfide 2, welches für eine intakte Darmbarriere wichtig ist.
7.2.2. Faecalibacterium prausnitzii
Auch dieses Bakterium ist ein anaerobes Stäbchenbakterium der Firmicutes-Gruppe, welche zu den drei häufigsten anaeroben Keimen der Darmflora gehören.
Es hemmt intestinal inflammatorische Prozesse und hat einen günstigen Einfluss auf entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
Folgende Eigenschaften weist es auf:
- Hemmung des Transkriptionsfaktors NF-kB, der zur Hemmung des proinflammatorischen Interleukin 8 führt.
- Butyrat-Bildner, das zusätzlich den Faktor NF-kB hemmt.
Differenzierung der regulatorischen T-Zellen, die eine Erhöhung des antiinflammatorischen Interleukins 10 sowie eine Reduktion des proinflammatorischen Interleukins 12 bewirken.
7.3. Florastatus der Stuhlprobe mit pH-Wert, Säureanalyse und enthalte Mikroorganismen
Falls o.g. Werte pathologisch ausfallen, kann man über diese Bestimmungen zudem auf die Schwere der zugrundeliegenden Störung schließen.
Die quantitative und qualitative Analyse der Verdauungsrückstände ist sinnvoll, wenn man den Verdacht einer Maldigestion und/oder Fehlernährung hat!
Die metabolischen Effekte einer veränderten Darmflora lassen sich durch dieAnalyse von bestimmten organischen Säuren wie z.B. Phenylessigsäure nachweisen. Dem liegt zugrunde dass von einigen Firmicutes -Gruppen (Eubacterium spp. und Clostridium spp. ), diese als Abbauprodukte der Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin gebildet werden und im Urin bestimmt werden können.
8. Fazit
Durch diese teilweise erstaunlichen Erkenntnisse über das menschliche Mikrobiom hat man eine Fülle zusätzlicher Optionen bei der Diagnostik und Therapie multipler Erkrankungen erhalten.
Diese umfassen zum einen eine gezielte Diagnostik der Einflußfaktoren von Erkrankungen, zum andern aber auch zusätzliche Behandlungsoptionen durch Stabilisierung des Mikrobioms durch eine gezielte dauerhaft abwechslungsreiche Ernährung!
Diese zeichne sich durch wenig Fett und raffinierte Kohlenhydrate und nicht zu viel Eiweiß, jedoch vielen Ballaststoffen und sekundäre Pflanzenstoffen aus.
Dazu kommt die Möglichkeit der Anwendung zum einen von Substanzen, die ein physiologisches Mikrobiom begünstigen, wie zu, Beispiel Flohsamenschalen, Leinsamen oder Weizenkleie, zum anderen aber auch präbiotischen Präparaten.
Auch im Anschluss an eine Antibiotika-Gabe ist eine präventive Therapie empfehlenswert.
Viele Faktoren haben zudem Einfluß auf eine Stabilisierung des Mikrobioms wie Stress, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhyrmus und industriell erzeugte Lebensmittel. Hier gilt es, negative Faktoren zu eliminieren.
Die multiplen Zusammenhänge dieses wichtigen ,,Organs“ Mikrobiom habe dazu geführt, den Menschen wieder ein Stück weit mehr in seiner Gesamtheit zu betrachten. Es bleibt nun abzuwarten, wie neue Erkenntnisse über das Zusammenleben mit unseren Keimen die Zukunft der Medizin noch verändern werden.
9. Literaturliste:
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- Clemente H., Pehrsson E., Blasr M. et.al. The miicrobiome of uncontracted Amerindians. Science Advances 2015 Apr 17;3/1.
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- Conly J.& Stein K. The population of menaquinones (Vitamin K2) by intestinal bacteria and their role in maintaining coagulation homeostasis. Progress in food& nutrition science.1992 Oct-Dec; 16:4, 307-343(13).
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Wie immer sehr umfangreich und weit recherchiert! Da kann ich unmöglich alles bis ins Kleinste lesen. Trotzdem erhalte ich eine Basis-Vorstellung vom Mikrobiom, was das ist, was es alles bewirkt. Danke für den Beitrg!
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